It's the ear, not the gear!
„It’s the ear, not the gear“
Vor ein paar Jahren bin ich Moderator der Audio-CD-Beilage eines bekannten deutschsprachigen Musikmagazins gewesen. Auf dieser CD wurden die neusten Produkte im Audio-Musik-Bereich vorgestellt und bewertet. Also neue Verstärker, Gitarren, Synthesizer usw. Aus dieser Erfahrung heraus, liebe Leute, kann ich nur sagen: Glaubt nicht alles, was ihr hört! Mir ist irgendwann dort aufgefallen, dass es nie negative Besprechungen gibt – und das, oh Wunder, das vorgestellte Produkt immer in der gleichen Ausgabe per Printwerbung angepriesen wurde.
Seitdem weiß ich, dass ich statt neue Anschaffungen zu tätigen immer zuerst überlege, ob ich die Software und Geräte, die ich bereits habe, ebenso wie mein Potential, schon optimal ausnutze oder ob da nicht noch mehr geht. Wenn ich bei einem tontechnischen Problem einmal nicht mehr weiter komme, gäbe es die Möglichkeit, das Problem zu analysieren, vielleicht mittels Tutorials. Oder ich sage: Da finde ich schon das passende Gerät, das das Problem für mich lösen wird. Viele machen letzteres. Ich hingegen sehe das als eine Form der Problemflucht. Denn so ist das eigentliche Problem nicht gelöst, sondern lediglich verschoben, und ich habe unnötig Geld ausgegeben.
Häufig sieht man ein Studio, vielleicht auch nur einen privaten Raum, der mit Equipment unterschiedlichster Güte und unterschiedlichster Preisklasse vollgestopft ist. Dazu höre ich immer die Aussage, dass nur mit diesem einen speziellen Equalizer die störende Frequenz aus einem Titel herausgenommen werden kann oder nur dieses eine Gerät den richtigen Hallraum auf eine Stimme zu zaubern vermag und nur dieses spezielle Plug-In den Drums den nötigen Punch verleiht. Klar, man braucht die richtigen Werkzeuge, um zu arbeiten und einen gewissen qualitativen Standard einhalten zu können. Aber spätestens, wenn man mehr Geld für die Technik ausgibt, als man je wieder verdienen kann, wenn man mehr Geräte und Software um sich herum stapelt (und die ja auch ständig testen muss), als man je vernünftig einsetzen könnte, dann ist der Technikbesitz meiner Meinung nach doch eine (prinzipiell legitime) Liebhaberei. Dann aber bitte auch als solche bezeichnen und nicht so tun, als ob es ein Naturgesetz sei, dass Tonstudios wie Raumschiffkommandozentralen auszusehen haben.
Lasst euch stattdessen sagen:“It’s the ear, not the gear!“
Das Ohr macht das schon, verlasst euch lieber auf euer Gehör, an welcher Stelle was zu ändern ist, nicht auf irgendwelche Gerätschaften. Das ist zuverlässiger und besser, erzielt die qualitativ höherwertigeren Ergebnisse. Denn entscheidend ist ja, herauszuhören, was wo geändert werden muss. Das Gerät, das man dann da hat - ich nutze vor allem Software von "Waves" - ist meist völlig ausreichend, um die Änderung vorzunehmen. Wichtig ist also, dass man die Stelle, die noch nicht perfekt klingt, erkannt hat (mit seinen eigenen Ohren) und weiß, wie man sie verbessert. Das erfordert natürlich ein wenig Übung und Erfahrung - und Vertrauen auf sich selbst und seine Fähigkeiten.
Ich selbst habe das Gefühl, noch lange nicht jedes Produkt getestet zu haben, das es auf dem Musikmarkt gibt und das vielleicht sinnvoll wäre. Jedoch werde ich dennoch - meiner Meinung nach - von Jahr zu Jahr besser. Denn ich steigere mich durch meine Erfahrung. Würde ich mehr Zeugs kaufen, das kann auch Software sein (auch da gibt es viel zu viel), dann habe ich außerdem die Befürchtung, mich abhängig zu machen und möglicherweise mal an den Punkt zu gelangen, an dem ich nur noch mit bestimmten Produkten überhaupt arbeiten kann.
Es ist also der Mensch, der den Song macht, nicht das Gerümpel, das man rumliegen hat.
Oder um es auf Bayerisch zu sagen: „'s is da Lump, ned des Glump!“